Die hier abgebildeten und in dieser Ausstellung zusammengefaßten Arbeiten sind, vor vierzig Jahren entstanden, nicht nur Teil und wichtiger Bestandteil des künstlerischen Œuvres von Bruno Gironcoli, sondern auch aufschlußreiche Dokumente der österreichischen Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts. Sie fügen sich also in einen größeren Zusammenhang ein, nenne man ihn einmal die Periode des österreichischen Pop, wie auch jene Phase, die von der Auseinandersetzung mit der Tiefenpsychologie geprägt ist und sich mit dem Phänomen des Aktionismus auseinandersetzt. So wie Gironcoli den Innenarchitekten einer lockeren Künstlergruppe bildete, in der in den Sechziger Jahren auch Hollein und Pichler figurierten, kann man die späteren Environments in die Nachbarschaft des Aktionismus vor allem eines Rudolf Schwarzkogler stellen.

Man ist erleichtert diese wichtigen Arbeiten zu sehen, da man immer vermutet hat, daß Gironcoli seine Werke, die Papierarbeiten einmal abgesehen, ständigen Verwandlungen unterzog, die mit der wechselnden psychischen Besetzung und gewollten Bedeutungsverschiebungen zu tun hatten.

Der große Bronzetisch von 1975-1977 oder die Messingfigur von 1969 haben sich erfreulicherweise komplett erhalten und sind exzellente Museumsstücke, die, jede für sich, die Intention des Künstlers ideal vertreten.

Die Figurenensembles der frühen Objekte von Beginn der 60er Jahre und die sich von diesen in ihrer Strategie absetzenden späteren Environments werden ergänzt durch die Papierarbeiten, die im Œuvre des Künstlers immer unterschiedliche Funktionen besessen haben. Zum einen stellten sie Entwürfe dar, reale Entwürfe, spielten jedoch etwa mit Blatteilungen, mit der Idee der Übertragung des zweidimensional Gezeichneten ins Dreidimensionale, das nicht immer intendiert war. Zum anderen waren die Arbeiten auf Papier auch (Er-)Klärungen der Environments, in denen sie die in diesen nicht enthaltenen Figuren einführten und den Ablauf des grotesken "Theaters" vorgaben.

Die frühen Blätter greifen vereinfachte Möbelformen auf und besitzen auch mit der bizarren Farbigkeit von Kupfer, Silber und Gold den Ausdruck einer falschen Qualität und eines "falschen Bewußtseins". Die Objekte selbst, in dieser Ausstellung vor allem mit Silberfarbe geschönt, erinnern an Etageren, Kinderwägen oder Blumentischchen der 50er Jahre, sind jedoch (ohne Sockel) Skulpturen, die sich der unmittelbaren Verwendung entziehen und nicht unähnlich der Objekte Claes Oldenburgs ironisch mit dem ursprünglichen Gegenstand umgehen. Im Falle von Bruno Gironcoli ist das Beklemmende einer spießbürgerlichen Enge, von der der Impuls dieser Gegenstände herrührt, spürbar.

Wenn der Künstler etwa ein Blatt "Entwurf zu verwendbarem Gegenstand" (1964) nennt, so meint er damit ironisch gerade das Verfehlen der Verwendbarkeit, will die angesprochenen Funktionen nicht einlösen.

Diese Objekte, auch wenn sie keinen Sockel besitzen, sind eindeutig von ihrer Umgebung abgesetzt, sprechen eine eigene formale Kunstsprache und integrieren sich nicht wie die späteren Environments durch das Einfügen von Realitätszitaten in unsere eigene soziale Realität. Gironcoli kombiniert die Gegenstände in seinen Environments, die sich, sei es über ihre Funktion, sei es über ihre Form oder ihr Material, immer mit dem Körper, vor allem seinen sexuellen Funktionen assoziieren lassen, zu einem Thema der Grausamkeit, in dem der Betrachter in der Vorstellung zum potentiellen Opfer werden kann.

In diesen Werken arbeitet der Künstler wie in allen seinen Arbeiten private Probleme und Obsessionen ab. Die individuelle Ikonographie läßt sich nicht immer eindeutig interpretieren, bleibt offen und wurzelt in der subjektiven Erfahrung des Künstlers.

Die Objekte werden dadurch Ausdruck von Ritualen, die jedoch nicht nur individuelle Obsessionen spiegeln, sondern sich auch mit sadistischen und masochistischen Praktiken des Faschismus auseinandersetzen.

Hatten die frühen Objekte in dieser Ausstellung einen eher spielerischen, ironischen Charakter, so verdüstert sich hier die Welt. Das Groteske wird unheimlich und beängstigend, das Gefühl des Ausgesetztseins und der Vergewaltigung steigert sich. Dieser Charakter, diese Intensität hat sich bis heute erhalten und teilt sich trotz aller Hermetik der symbolischen Formen und Anspielungen mit.

Die hier wie in einem Fokus versammelten Arbeiten markieren die entscheidenden Schritte Gironcolis in den 60er und 70er Jahren. Sie dokumentieren nicht nur seinen Schritt hin zum Environment sondern auch seine wichtige Rolle was einen neuen Begriff des Skulpturalen am Ende des 20. Jahrhunderts betrifft.

© Peter Weiermair


Katalogtext zur Ausstellung

Bruno Gironcoli
Plastisches Werk, Arbeiten auf Papier
1964 -1977
in der Galerie Hofstätter
10. Oktober - 23. November 2002